Publikation: Nichtanwendung eines Gesetzes - gezielter Verfassungsbruch?
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Zusammenfassung
„Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen“ – mit diesem Leitspruch trat einst die Regierung Schröder/Fischer an. Die aktuelle Regierung scheint dagegen nach dem Motto zu handeln: „Wir wollen nicht alles besser, aber vieles anders machen.“ Zu verstehen ist dies wörtlich – es geht um nichts weniger als um die Nichtanwendung eines Gesetzes.
Was ist geschehen? Am 23. 2. 2010 trat das – noch mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossene – Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen – Zugangserschwerungsgesetz (BGBl I, 78) in Kraft. Bei der Ausfertigung des Gesetzes ging der Bundespräsident davon aus, dass die Bundesregierung „auf der Grundlage des Gesetzes“ Kinderpornografie bekämpfen werde. Die Tagespresse nahm dies überrascht zur Kenntnis, hatten doch zuvor CDU, CSU und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart, entsprechende Seiten mit kinderpornografischem Inhalt nicht zu sperren, sondern zu löschen. Die Bundesjustizministerin erklärte daraufhin, die Regierung sei sich einig, das Gesetz nicht anzuwenden. Das Bundesinnenministerium hat einen „ressortabgestimmten“ Erlass an das Bundeskriminalamt (BKA) mit der „nachdrücklichen“ Bitte um Löschung der Inhalte erteilt. Die Bundesfamilienministerin ergänzte am 25. 2. 2010 in einem Interview mit Spiegel Online, man wolle das Gesetz nicht ändern, sondern „ein Jahr beobachten und dann Bilanz ziehen“. Die Nichtanwendung des Gesetzes nannte sie ein „juristisch interessantes Konstrukt“. Doch ist es das wirklich?
Vielleicht hätte der Ministerin ein Blick ins Grundgesetz geholfen. Nach Art. 20 III GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Daraus folgt eine Pflicht zur Anwendung von Gesetzen (BVerfGE 25, 216 [228]). Das Zugangserschwerungsgesetz ist im von der Verfassung vorgesehenen Verfahren ordnungsgemäß zu Stande gekommen. Hält die Regierung das Gesetz für verfassungswidrig, kann sie das BVerfG anrufen. Dessen ungeachtet bleibt sie zur Anwendung des Gesetzes verpflichtet.
Auch für Zweckmäßigkeitsüberlegungen ist kein Platz. Das Gesetz räumt dem BKA kein Entschließungsermessen für das Führen der Sperrliste und der Regelung des entsprechenden Verfahrens ein. Der Erlass des Bundesinnenministeriums ist daher offensichtlich rechtswidrig und darf nicht angewandt werden. Bei den Stellungnahmen der Ministerinnen handelt es sich um die Aufforderung zum gezielten Verfassungsbruch. Unserem Rechtsstaat ist zu wünschen, dass die Regierung diesen verfassungswidrigen Zustand schnellstmöglich beendet und die entsprechende Gesetzesänderung nicht erst in einem Jahr auf den Weg bringt. Die geplante EU-Richtlinie gibt vielleicht Anlass hierzu.
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ISO 690
HÖPFNER, Clemens, 2010. Nichtanwendung eines Gesetzes - gezielter Verfassungsbruch?. In: NJW Editorial. 2010, 2010(16)BibTex
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