Publikation: Spectroscopy of displacements in a two-dimensional colloidal glass former
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In dieser Arbeit wurden Experimente an einem kolloidalen Glasbildner durchgeführt. Darin werden zwei Arten von superparamagnetischen Polystyrolkugeln (mit Durchmessern 4.5 und 2.8 Mikrometern) durch Gravitation auf eine Wasser-Luft-Grenzfläche gedrückt. Damit steht ein fast ideales zweidimensionales System zur Verfügung, in dem die thermische Bewegung senkrecht zur Grenzfläche nur wenige Promille des Teilchendurchmessers beträgt und es keinerlei laterale Wechselwirkung mit der Grenzfläche gibt. Durch das Anlegen eines externen Magnetfeldes kann die dipolare Wechselwirkung zwischen den Teilchen in situ geändert werden, was einer effektiven Temperaturänderung gleichkommt. Gleichzeitig ist die Wechselwirkungsenergie zwischen den Teilchen genaustens bekannt. Um das System für mehrere Monate in einem metastabilen Zustand zu halten, wird der Versuchsaufbaus durch ein komplexes Computerprogramm automatisiert gesteuert. So werden Videomikroskopiemessungen von fast 12 Tagen möglich, in denen über 2000 Teilchen ununterbrochen verfolgt werden können.
Mit dem Ziel einer erhöhten Langzeitstabilität wurden komplementäre Experimente auf festen Substraten durchgeführt, um so umfangreichere Messungen auch in der flüssigen Phase durchführen zu können. Um Pinning zu minimieren und chemische Homogenität zu gewährleisten, wurden die Substrate mit PMMA beschichtet. Oxidation der Teilchen durch UV-Kleber wurde durch eine zweilagige Versiegelung der Messzellen verhindert.
Es ist allgemein akzeptiert, dass Glasbildner in zwei und drei Dimensionen die gleiche Phänomenologie besitzen. Trotzdem sind Einflüsse bisher nicht diskutierter Eigenschaften von Monolagen denkbar. Ein Beispiel hierfür sind Mermin-Wagner-Fluktuationen. Ergebnisse der vorliegenden Arbeit beleuchten den intrinsischen Einfluss des Substrates, der das Verhalten des Systems in einigen Fällen dramatisch verändert.
In beiden untersuchten Fällen (festes Substrat und Wasser-Luft-Grenzfläche) zeigte das System eine Verlangsamung der Dynamik bei steigendem Plasmaparameter, sichtbar z.B. im mittleren Verschiebungsquadrat (MSD). Die Ausbildung eines Plateaus markiert hier den glastypischen dynamischen Arrest. Gleichzeitig wurde die amorphe Struktur der Flüssigkeit konserviert.
Es wurden Daten bei verschiedenen Temperaturen gesammelt, um die Verfestigung beim Eintritt in den glasartigen Zustand zu studieren. Durch die Definition und anschließende Analyse des von thermischen Vibrationen erzeugten Verschiebungsfeldes im Fourierraum wurden die Dispersionsrelationen von akustischen Phononen gewonnen. Die damit einhergehende implizite Näherung als ebene Welle sollte im langwelligen Limes Bestand haben, wenn die lokale Unordnung des Systems vernachlässigbar wird. Die Isotropie des (zweidimensionalen) Raumes wurde zur Verbesserung der Statistik genutzt, was in deutlich geglätteten Kurven resultierte. Damit konnte eine präzise Extrapolation der Dispersionsrelationen in den langwelligen Limes q gegen 0 erfolgen, was laut Elastizitätstheorie die makroskopischen elastischen Module liefert. Die hohe Stabilität der Probe, d.h. bemerkenswert niedrige kollektive Teilchenbewegungen wie etwa Drift, ermöglichten eine genaue Ermittlung der Glasübergangstemperatur zu 197+/-5, die durch ein plötzliches Anwachsen des temperaturabhängigen Schermodules gekennzeichnet ist. Der enge Bereich dieses Anwachsens deutet auf ein diskontinuierliches Übergangsszenario hin, welches in jüngst veröffentlichten Arbeiten ebenso von Simulationen gefunden und von theoretischen Überlegungen gefordert wird.
Um die Zuverlässigkeit der hier verwendeten Methode zu überprüfen, wurde der Einfluss endlicher Zeitskalen untersucht. Es wurde eine bemerkenswerte Stabilität des Schermodules gefunden. Das beobachtete Plateau besteht auch in der alpha-Relaxation, d.h. zu Zeiten, in denen strukturelle Relaxation oder Mermin-Wagner-Fluktuationen einsetzen. Dies wird in der verhältnismäßig großen Amplitude von transversalen Scherwellen begründet, so dass die betreffenden Wellenfronten weniger drastisch durch lokale Unordnung deformiert werden. Sowohl Scher- als auch Kompressionsmodul zeigten außerdem ein von der Theorie bisher unbeschriebenes algebraisches Wachstum bei hohen Frequenzen (d.h. im Kurzzeitlimes).
Vibratorische Anregungen wurden darüber hinaus mit der Prinzipalkomponentenanalyse (PCA) studiert. Durch die Berechnung der Kovarianzmatrix aus dem Verschiebungsfeld einzelner Teilchen ergeben sich die einzelnen Schwingungsmoden aus dem Spektrum der Eigenwerte. Messungen mit hohem statistischen Inhalt ( 380000 Konfigurationen) ergaben so eine Zustandsdichte mit zwei Maxima, die auf Van Hove-Singularitäten zurückgeführt wurden. Bei abnehmender Wechselwirkungsstärke (steigende Temperatur) verschwand der zweite Peak, was das Zusammenbrechen der Scherstabilität widerspiegelt. Die üblicherweise in atomaren und molekularen Gläsern bei niedrigen Temperaturen gefundene Häufung von niederfrequenten Moden in der Zustandsdichte konnte hier nicht beobachtet werden, obwohl dieser sogenannte "Boson Peak" zuletzt auch in kolloidalen Gläsern identifiziert wurde.
Durch die Analyse der Eigenvektorstruktur der Kovarianzmatrix kann die Modenstruktur visualisiert werden. Aus den Prinzipalkomponenten wurde eine hoch korrelierte Verteilung von Auslenkungen bei langen Wellenlängen deutlich, welche das Verhalten von ebenen Wellen im langwelligen Limes widerspiegelt. Diese Resultate bedeuten auch eine Bestätigung des Fourier-Ansatzes zur Elastizitätsbestimmung im letzten Abschnitt, was das Bild vibratorischer, elastischer Anregungen abrundet.
Weiterer Aufwand wurde betrieben, um die Dispersionsdaten mit dem (inversen) Eigenspektrum der Kovarianzmatrix in Verbindung zu bringen. Die resultierende Verteilung wird in beiden Fällen von zwei Van Hove-Singularitäten dominiert, die durch die verschwindenden Schallgeschwindigkeiten am Brillouinzonenrand verursacht werden. Es zeigte sich, dass die kumulative Zustandsdichte eine gute Übereinstimmung der beiden Ansätze im niederfrequenten Teil des Spektrums ergibt. Beide Kurven reproduzieren das Debye-Modell sehr gut. Dies kehrt abermals den kontinuierlichen Charakter dieses weichen, dipolaren Systems hervor.
Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit war die Untersuchung von dynamischen Heterogenitäten. Die Berechnung eines Überlappparameters Q(t) und der verwandten Vierpunkt-Dichtekorrelationssuszeptibilität deutete auf eine Zeitskala von räumlichen Korrelationen hin, die grob zwischen 4000 und 400000 Sekunden liegt. In den Experimenten dieser Arbeit konnten Langzeitdaten zur Berechnung eines Root Mean Squares (RMS) vibratorischer Amplituden genutzt werden, welches raumzeitliche Fluktuationen auf Zeitskalen der Größenordnung 64000 Sekunden zeigt. Dies passt hervorragend in den durch die Dichtekorrelationssuszeptibilitätsdaten vorausgesagten Rahmen. Extrapolation der RMS-Amplituden auf ein gleichmäßiges Gitter und die folgende Anwendung von Korrelationsmethoden aus der Lichtstreuung ergab die ungefähre Ausdehnung der fraktalen Regionen mit erhöhter dynamischer Aktivität. Die gefundene Temperaturabhängigkeit auf der Glasseite deutete ein Anwachsen der entsprechenden Längenskala in der Nähe der Glasübergangstemperatur an, wobei aber keine Hinweise auf kritisches Verhalten auftraten.
Schließlich wurden noch Versuche, den Glasübergang auf festen Substraten mit einer Pinningstärke von etwa 1 % zu untersuchen, unternommen. Durch die Fourier-Analyse des Verschiebungsfeldes konnte die Übergangtemperatur nicht eindeutig festgelegt werden. Innerhalb der vorhandenen Auflösung ist ein Sprung des Schermodules nicht festzustellen. Eine Analyse der Modenstruktur mit PCA machte deutlich, dass ebene Wellen sogar im langwelligen Limes nicht propagieren. Dies wird als eine Folge des Substrates vermutet, welches z.B. durch Pinning die Lokalisierung von Moden fördert. Dieser Umstand könnte auch die Diskrepanz mit der in anderen Gruppen gefundenen Zustandsdichte erklären. Im Rückschluss liefert dies Hinweise auf eine Nicht-Universalität der oft diskutierten niederfrequenten Überflussmoden und motiviert einmal mehr den immensen experimentellen Aufwand, der betrieben wird, um eine lateral wechselwirkungsfreie Wasser-Luft-Grenzfläche herzustellen. Damit ist die hier beschriebene kolloidale Monolage weltweit konkurenzlos und die beste Realisierung eines quasi-zweidimensionalen Systems.
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KLIX, Christian L., 2014. Spectroscopy of displacements in a two-dimensional colloidal glass former [Dissertation]. Konstanz: University of KonstanzBibTex
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