Publikation: Neurobiologischer Determinismus : Fragwürdige Schlussfolgerungen über menschliche Entscheidungsmöglichkeiten und forensische Schuldfähigkeit
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Zusammenfassung
Verschiedene Autoren vertreten aktuell die These, dass strafbares Verhalten generell durch neurobiologische Defizite verursacht sei. Ausgehend von dieser Kausalitätsvermutung und von einer neurobiologischen Kritik am Konzept des freien Willens, wird die These der neurobiologischen Determinierung allen menschlichen Verhaltens gefolgert. Menschen seien daher nicht für ihre Handlungen verantwortlich und darum müsse auch das Schuldprinzip im Strafrecht aufgegeben werden. Vor diesem Hintergrund ist die seit Jahrhunderten geführte Determinismus-Indeterminismus-Kontroverse insbesondere in der Strafrechtswissenschaft neu entbrannt. Bei kritischer Prüfung des aktuellen Forschungsstands wird deutlich, dass die derzeitige Befundlage nicht geeignet ist, irgendwelche allgemeingültigen neurobiologischen Kausalitäten strafbaren Verhaltens oder die These eines absoluten neurobiologischen Determinismus abzuleiten. Auch der Rückgriff auf das Konstrukt allumfassender Determination aller Phänomene im Universum ist weder - wie behauptet - die logische Folge des Kausalprinzips noch empirisch begründet. Methodisch analysiert entzieht es sich der Falsifizierbarkeit und ist darum als nicht empirisch überprüfbare These ein Glaubenssatz, gegen den es zudem plausible Einwände gibt. Damit ist auch die Kritik am freien Willen und noch viel mehr an der menschlichen Verantwortungs- und Schuldfähigkeit in der zum Teil vorgebrachten Weise haltlos. Für die Schuldfähigkeitsbeurteilung bleibt daher das Prinzip relativer Determinierung, also die Bestimmung des Determinierungsgrades potenziell schuldvermindernder persönlichkeitsbezogener Faktoren und damit die konkrete Verhaltensbeobachtung und Verhaltensanalyse ein zentraler und folgerichtiger Ansatzpunkt. Zusammenfassend sind die von einigen Autoren vorgetragenen Thesen der vollständigen neurobiologischen Determination menschlichen Verhaltens und der darauf gründenden Unmöglichkeit individueller Verantwortung und individueller Schuld durch mangelnde empirische Grundlagen einerseits und durch methodische Missverständnisse andererseits gekennzeichnet.
Zusammenfassung in einer weiteren Sprache
Several authors argue that criminal behavior is generally caused by neurobiological deficits. Based on this neurobiological perspective of assumed causality, the concept of free will is questioned, and the theory of neurobiological determinism of all human behavior is put forward, thus maintaining that human beings are not responsible for their actions, and consequently the principle of guilt should be given up in criminal law. In this context the controversial debate on determinism and indeterminism, which has been held for centuries, has flared up anew, especially within the science of criminal law. When critically examining the current state of research, it becomes apparent that the results do not support the existence of a universally valid neurobiological causality of criminal behavior, nor a theory of an absolute neurobiological determinism. Neither is complete determination of all phenomena in the universe - as maintained - the logical conclusion of the principle of causality, nor is it empirically confirmed. Analyzed methodically, it cannot be falsified, and thus, as a theory which cannot be empirically tested, it represents a dogma against which plausible objections can be made. The criticism of the concept of free will, and even more so of human accountability and criminal responsibility, is not put forward in a valid way. The principle of relative determinism - the evaluation of the degree of determinism of personality factors potentially reducing criminal responsibility, which includes concrete observations and analysis of behavior - thus remains a central and cogent approach to the assessment of criminal responsibility. To sum up, the theories proposed by some authors on the complete neurobiological determinism of human behavior, and the subsequent impossibility of individual responsibility and guilt, reveal both methodical misconception and a lack of empirical foundation.
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ISO 690
URBANIOK, Frank, Judith HARDEGGER, Astrid ROSSEGGER, Jérôme ENDRASS, 2006. Neurobiologischer Determinismus : Fragwürdige Schlussfolgerungen über menschliche Entscheidungsmöglichkeiten und forensische Schuldfähigkeit. In: Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie. 2006, 74(8), pp. 431-441. ISSN 0015-8194. eISSN 1439-3522. Available under: doi: 10.1055/s-2006-944237BibTex
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