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Selbstverständlichkeit : Epistemologische Provokation und hermeneutischer Stil

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Self-Evidence : Epistemological Provocation and Hermeneutic Style
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Zeitschriftenartikel
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Erschienen in

Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. Springer. 2021, 51(4), pp. 629-643. ISSN 0049-8653. eISSN 2365-953X. Available under: doi: 10.1007/s41244-021-00237-9

Zusammenfassung

Welcher Status kommt der literaturwissenschaftlichen Hermeneutik in aktuellen Lehr- und Forschungszusammenhängen der germanistischen Mediävistik zu, die trotz methodischer Innovationen und konzeptueller Pluralisierung immer weniger zu theoretischen Grundsatzdebatten aufgelegt scheint? Und was macht es gegenwärtig so schwierig, den Status von Lektüreverfahren explizit zu bestimmen? Der Essay entwickelt die These, dass Hermeneutik derzeit weniger als Theorieentscheidung zur Debatte steht, mit der konzeptueller Klärungsbedarf oder operative Leistungsfähigkeit der Geisteswissenschaften verhandelt würden, sondern öfter und alltäglicher noch in einem stilistischen Verhältnis gepflegt wird: als selbstverständlicher Lektüremodus diesseits von literaturtheoretischen Begründungs- und Legitimationsgefechten. Ausgangspunkt bildet die Vermutung, dass nicht generelle Theoriemüdigkeit, sondern spezieller noch die Abkehr von Epistemologien der Provokation solche Selbstverständlichkeit in neuer Weise attraktiv machen. Auch mediävistische Lektüren erweisen sich dabei als spannungsvolle Praxis, die über das Herstellen, Lesen und Interpretieren mittelalterlicher Texte weit hinausgeht. Der Essay umreißt vier Perspektiven, in denen hermeneutischer Stil weitaus weniger selbstverständlich erscheint: als unaufgeregte Beschreibungspraxis jenseits von Forschungslogiken der Irritation; als Kontinuitätspraxis angesichts anti-disziplinärer Tektonik; als Explikationspraxis angesichts zunehmender Latenzwahrnehmungen digitaler Gesellschaft; und als Praxis der Gegenstandsbindung angesichts von methodologischer Heterogenisierung. Wenn die hermeneutische Lektüre gegenwärtig als selbstverständlicher Modus erscheint, gründet dies nicht bloß in der Unhintergehbarkeit von Verstehensprozessen, sondern reagiert ebenso auf den gravierenden Wandel dieser Perspektiven.

Zusammenfassung in einer weiteren Sprache

What is the status of literary hermeneutics in current teaching and research contexts of German medieval studies, which, despite methodological innovations and conceptual pluralization, seems less and less disposed to theoretical debates about principles? And what makes it so difficult at present to explicitly determine the status of reading procedures? The essay develops the thesis that hermeneutics is currently less up for debate as a theoretical decision with which the need for conceptual clarification or the operational performance of the humanities would be negotiated, but is more often and more everyday still cultivated in a stylistic relationship: as a self-evident mode of reading this side of literary-theoretical battles over justification and legitimation. The starting point is the assumption that it is not general theory fatigue, but more specifically the turning away from epistemologies of provocation that makes such self-evidence attractive in a new way. Medieval readings also prove to be an exciting practice that goes far beyond the production, reading, and interpretation of medieval texts. The essay outlines four perspectives in which hermeneutic style seems far less self-evident: as unexcited descriptive practice beyond research logics of irritation; as continuity practice in the face of anti-disciplinary tectonics; as explicatory practice in the face of increasing latency perceptions of digital society; and as practice of object commitment in the face of methodological heterogenization. If hermeneutic reading currently appears as a self-evident mode, this is not only based on the inalienability of processes of understanding, but also reacts to the serious change of these perspectives.

Fachgebiet (DDC)
800 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft

Schlagwörter

Hermeneutik, Mediävistik, Literaturtheorie

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ISO 690GEBERT, Bent, 2021. Selbstverständlichkeit : Epistemologische Provokation und hermeneutischer Stil. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. Springer. 2021, 51(4), pp. 629-643. ISSN 0049-8653. eISSN 2365-953X. Available under: doi: 10.1007/s41244-021-00237-9
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