Was haben wir aus dem Bodenseeufer gemacht? Versuch einer Bilanz
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Zusammenfassung
Die Ufer vieler mitteleuropäischer Seen sind heute einem erheblichen menschlichen Nutzungsdruck durch Siedlung, Verkehr, Tourismus, Seespiegelmanipulationen, Uferverbau und Schadstoffemissionen aus der Landwirtschaft, den Kommunen und der Industrie ausgesetzt. Der Bodensee macht hier keine Ausnahme. In diesem Beitrag wird der aktuelle Zustand der Bodensee-Uferregion aller drei Anliegerstaaten beschrieben, wobei auch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte nachgezeichnet wird, die zum derzeitigen Ergebnis geführt hat. Ein besonderes Gewicht erhalten dabei die umweltpolitischen Diskussionen und Entscheidungen sowie die normativen Vorgaben im baden-württembergische Ufergebiet. Insgesamt werden 18 uferrelevante Themenbereiche untersucht. Kennzeichnend für den Bodensee mit einer Fläche von 529,1 qkm und einer Uferlänge von 289,2 km ist die große Vielgestaltigkeit seiner natürlichen Uferstrecken, wie sie sich seit Ende der würmzeitlichen Vorlandvereisung herausgebildet haben. Seeufer und ihre Ökosysteme sind dynamische Gebilde, deren formende Kräfte und Prozesse verstanden sein müssen, um Eingriffe des Menschen angemessen einschätzen, und durch Renaturierungsmaßnahmen abmildern oder rückgängig machen zu können. Der menschliche Nutzungsdruck wird anhand der sehr hohen Bevölkerungsdichte in den Uferrandgemeinden deutlich, die mit durchschnittlich 585 Pers./qkm um ein Mehrfaches höher liegt als in den Hinterlandgemeinden bzw. in den zugehörigen Bundesländern und Kantonen. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Bevölkerungszunahme gegenüber dem 150-jährigen Durchschnittswert noch einmal beschleunigt. Eine ähnliche Entwicklung hat auch die Flächennutzung genommen. Das Gebiet der Uferrandgemeinden besteht zu 18,2 % aus Gebäude- und Verkehrsflächen, Ihr Anteil ist damit um rund die Hälfte höher als in den Hinterlandgemeinden. Die Umwidmung von landwirtschaftlichen Nutzflächen in Gebäude und Verkehrflächen ist in den vergangenen Jahren gerade in den Ufergemeinden unvermindert weitergegangen. Die Wasserlinie des deutschen Obersee-Ufer ist zu rd. 47 % mäßig bis sehr stark verbaut, wobei der Verbauungsgrad im Beobachtungszeitraum nicht oder nur unwesentlich abgenommen hat. Der Übernachtungs- und der Tagestourismus, der am deutschen Ufer auf mehr als 22 Mio Pers. Tage geschätzt wird, konzentriert sich ebenfalls im Uferbereich, wo er ebenso wie die einheimische Bevölkerung auf eine dichte Erholungsinfrastruktur von rd. 97 Häfen- und Steganlagen, 42 Campingplätzen, 73 Strandbäder und eine Flotte von 73 Fahrgastschiffen stößt. Während die Zahl der erfaßten Liegeplätze seit einigen Jahren stagniert, nahm die Zahl der registrierten Wasserfahrzeuge zu und liegt derzeit bei etwa 58.130 Einheiten, davon knapp 99 % Vergnügungsfahrzeuge. Konkrete Vorstellungen zur Begrenzung der Siedlungsverdichtung und Wassersportnutzung im Uferbereich und zum Schutz und zur Entwicklung naturnah erhalten gebliebener Bodenseeufer gehen bis weit in die 1960er Jahre zurück. Sie manifestieren sich beispielsweise in den »Grundsätzen zum Schutz der Flachwasserzone«, in verschiedenen Bodensee-Leitbildern und in den Bodensee-Uferplänen der beiden deutschen Regionalverbände. Während zunächst die Bedeutung der Flachwasserzone vorwiegend in ihrer »Selbstreinigungsfunktion« gesehen wurde, stehen in der heutigen Diskussion ökosystemare und Artenschutz-Aspekte stärker im Vordergrund. Anhand von 15 Themenbereichen wird untersucht, wie sich die Konzepte bei der Unterbindung baulicher Großprojekte im Uferbereich, der Ausweisung von Naturschutzgebieten, der Begrenzung der Boots- und Liegeplatzzahlen, im Bodendenkmalschutz, für die Entwicklung der Unterwasserpflanzen-, Strandrasen und Röhrichtvegetation sowie der Wasservogelbestände ausgewirkt haben. Darüberhinaus werden die Einflüsse auf grenzüberschreitende Planungsansätze, für die derzeitigen Vorstellungen zur Renaturierung verbauter Ufer, auf die einschlägige Rechtsprechung in Baden-Württemberg und Bayern sowie auf die Arbeit der privaten Naturschutzverbände und die Öffentlichkeitsarbeit untersucht. Dass auch der globale Klimawandel Auswirkungen auf Ökologie und Nutzung der Uferzone hat, zeigt die Analyse der Bodensee-Wasserstände zwischen 1817 und 2003, wobei das Extremhochwasser von 1999 mit einer statistischen Jährlichkeit von 4 000 Jahren und das Extremniedrigwasser von 2003 mit einer Jährlichkeit von ungefähr 600 Jahren tiefgreifende Störungen der Uferbiozönose mit sich gebracht haben.
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ISO 690
OSTENDORP, Wolfgang, 2004. Was haben wir aus dem Bodenseeufer gemacht? Versuch einer Bilanz. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 2004, 122, pp. 181-251BibTex
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Der menschliche Nutzungsdruck wird anhand der sehr hohen Bevölkerungsdichte in den Uferrandgemeinden deutlich, die mit durchschnittlich 585 Pers./qkm um ein Mehrfaches höher liegt als in den Hinterlandgemeinden bzw. in den zugehörigen Bundesländern und Kantonen. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Bevölkerungszunahme gegenüber dem 150-jährigen Durchschnittswert noch einmal beschleunigt. Eine ähnliche Entwicklung hat auch die Flächennutzung genommen. Das Gebiet der Uferrandgemeinden besteht zu 18,2 % aus Gebäude- und Verkehrsflächen, Ihr Anteil ist damit um rund die Hälfte höher als in den Hinterlandgemeinden. Die Umwidmung von landwirtschaftlichen Nutzflächen in Gebäude und Verkehrflächen ist in den vergangenen Jahren gerade in den Ufergemeinden unvermindert weitergegangen. Die Wasserlinie des deutschen Obersee-Ufer ist zu rd. 47 % mäßig bis sehr stark verbaut, wobei der Verbauungsgrad im Beobachtungszeitraum nicht oder nur unwesentlich abgenommen hat. Der Übernachtungs- und der Tagestourismus, der am deutschen Ufer auf mehr als 22 Mio Pers. Tage geschätzt wird, konzentriert sich ebenfalls im Uferbereich, wo er ebenso wie die einheimische Bevölkerung auf eine dichte Erholungsinfrastruktur von rd. 97 Häfen- und Steganlagen, 42 Campingplätzen, 73 Strandbäder und eine Flotte von 73 Fahrgastschiffen stößt. Während die Zahl der erfaßten Liegeplätze seit einigen Jahren stagniert, nahm die Zahl der registrierten Wasserfahrzeuge zu und liegt derzeit bei etwa 58.130 Einheiten, davon knapp 99 % Vergnügungsfahrzeuge. Konkrete Vorstellungen zur Begrenzung der Siedlungsverdichtung und Wassersportnutzung im Uferbereich und zum Schutz und zur Entwicklung naturnah erhalten gebliebener Bodenseeufer gehen bis weit in die 1960er Jahre zurück. Sie manifestieren sich beispielsweise in den »Grundsätzen zum Schutz der Flachwasserzone«, in verschiedenen Bodensee-Leitbildern und in den Bodensee-Uferplänen der beiden deutschen Regionalverbände. Während zunächst die Bedeutung der Flachwasserzone vorwiegend in ihrer »Selbstreinigungsfunktion« gesehen wurde, stehen in der heutigen Diskussion ökosystemare und Artenschutz-Aspekte stärker im Vordergrund. Anhand von 15 Themenbereichen wird untersucht, wie sich die Konzepte bei der Unterbindung baulicher Großprojekte im Uferbereich, der Ausweisung von Naturschutzgebieten, der Begrenzung der Boots- und Liegeplatzzahlen, im Bodendenkmalschutz, für die Entwicklung der Unterwasserpflanzen-, Strandrasen und Röhrichtvegetation sowie der Wasservogelbestände ausgewirkt haben. Darüberhinaus werden die Einflüsse auf grenzüberschreitende Planungsansätze, für die derzeitigen Vorstellungen zur Renaturierung verbauter Ufer, auf die einschlägige Rechtsprechung in Baden-Württemberg und Bayern sowie auf die Arbeit der privaten Naturschutzverbände und die Öffentlichkeitsarbeit untersucht. 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